25 Jahre Rostock Lichtenhagen

Im August 2017 jährt sich das Pogrom von Rostock Lichtenhagen zum 25. Mal. Das ist für uns Grund genug uns kritisch und aus einer antifaschistischen Perspektive mit den damaligen Ereignissen und ihrer Bedeutung für die Gegenwart auseinanderzusetzen. Morgen (11.08.) wird es in der Lohro-Sendung Homerun gegen 16 Uhr auch einen kurzen Beitrag zum Thema geben. Lohro sendet auf 90.2 MHz bzw. 94.0 MHz via Kabel. Den Webplayer findet ihr: hier.

Den Aufruf des „Irgendwo in Deutschland“ Bündnisses findet ihr: hier.

Wir haben eine kleine Veranstaltungsreihe organisiert.
14.08. – Filmvorführung: „The Truth lies in Rostock“ – Café Median (evt. auf dem Hinterhof) – 19 Uhr
16.08. – Vortrag: „Kontext, Dimension und Folgen rassistischer Gewalt“ – Café Median – 19 Uhr
18.08. – Podiumsdiskussion „25 Jahre Rostock Lichtenhagen – Das Pogrom aus antifaschistischer Perspektive“ mit Zeitzeugen*innen – Möckelsaal Peter-Weiss-Haus – 19 Uhr
Die Ankündigungstexte der Veranstaltungen findet ihr: hier.

Es gibt noch zwei weitere Texte zum Thema:
Rostock Geschichtsvergessen
Schaum statt Erinnerung

Schaum statt Erinnerung

Wir dokumentieren einen Text von linkunten.indymedia.org, der sich kritisch mit dem Gedenkkonzept der Stadt auseinandersetzt. Den originalen Text mit Bildern findet ihr hier.

Zum 25. Jahrestag des rassistischen Pogroms von Rostock Lichtenhagen 1992 werden im gesamten Stadtgebiet verteilt fünf Gedenkorte geschaffen. Dabei sollen fünf weiße Stelen an zum Teil symbolischen Orten verschiedene Aspekte des Pogroms aufzeigen und eine Auseinandersetzung mit dem Thema anstoßen. Die Stelen orientieren sich dabei an den Säulen der Demokratie: Exekutive, Legislative und Judikative, die hier noch um die wichtigen demokratischen Eckpfeiler Medien und Zivilgesellschaft erweitert werden. Diese Grundwerte sollen so als Gegenentwurf zum Pogrom ins Zentrum der Erinnerung gerückt werden. Das Konzept der fünf Stelen wurde von der Künstlergruppe „Schaum“ entworfen, die damit die öffentliche Ausschreibung der Hansestadt Rostock für sich entscheiden konnte.

Es ist erfreulich, dass die Bürgerschaft endlich bereit ist, die Leerstelle im öffentlichen Gedenken zu füllen, die der bisher noch nicht vorhandene feste Gedenkort für das Pogrom darstellt. Es ist ebenfalls begrüßenswert, dass der Weg über eine öffentliche Ausschreibung gewählt wurde, statt einfach wie noch 2012 eine deutsche Eiche zu pflanzen. Es ist aber zu bezweifeln, ob das gewählte Gedenkkonzept wirklich zu einer Aufklärung und Auseinandersetzung mit den Ereignissen von 1992 beitragen wird. Die unscheinbaren Installationen werden der Spezifik des Pogroms nicht gerecht, weil wichtige Aspekte, die einer Versöhnung mit der Vergangenheit im Wege stehen, bewusst ausgeklammert werden. So wird sowohl der rassistischen Dimension der „Ausschreitung“ als auch der Zustimmung und Beteiligung der Anwohner*innen an dem Pogrom keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Das Konzept erhält dadurch etwas Beliebiges und Austauschbares und könnte in seiner Darstellung genausogut für ein anderes Ereignis stehen. Für unwissende Bürger*innen könnte es sich als schwierig erweisen die Stelen in den Kontext von Lichtenhagen zu setzen. Kritik an Kunst ist per se schwierig, die Stelen sollen aber offizieller und vor allem sichtbarer Gedenkort sein und können so auch in diesem Rahmen kritisiert werden. Gerade dieser letzte Aspekt darf bezweifelt werden. Lediglich durch kleine Bodenplatten, die auf eine weiterführende Website verweisen, wird ein Bezug zwischen Stele und Gedenkfunktion hergestellt. Die unscheinbaren Objekte korrespondieren eher mit den Standpunkten der Bürgerschaft, die größtenteils um ein leises Gedenken bemüht scheint, als einen erinnerungspolitischen Stachel zu setzen. Die Priorität liegt darauf die Auseinandersetzung um die Ereignisse abzuschließen ohne dabei anzuecken. Der Begriff des Pogroms wird dabei lediglich unter der Voraussetzung anerkannt, dass zugleich Debatten um Verantwortung ausgeklammert werden oder zumindest in den Hintergrund treten.

Die Stele „Staatsgewalt“ ist nahe der Polizeistation in der Ulmenstraße schräg in den Boden eingelassen und trägt Auszüge aus der Polizeiverordnung, die Aufgaben der Polizei benennen. Diese Visualisierung stellt auf gelungene Weise den Widerspruch zwischen dem Handeln der Polizei während des Progroms und ihren eigentlichen Pflichten dar. Die Beamt*innen sollen so jeden Tag mit dem Gedenkort konfrontiert werden. Hierfür wäre allerdings ein Platz in unmittelbarer Nähe des Eingangs deutlich besser geeignet als die gewählte abseitige Postionierung, welche eher von Passant*innen frequentiert wird.

Die Stele „Medien“ befindet sich unmittelbar vor dem Hauptgebäude der Ostsee-Zeitung, die 1992 mit tendenziöser Berichterstattung Öl ins Feuer der „Ausschreitung“ goss. Acht in die Stele eingelassene bewegbare Platten sollen zu verschieden Wortgruppen zusammenfügbar sein. Wie die Komplexität und die verschiedenen Ebenen des Pogroms mit dem Nachbau eines Kinderspielzeugs greifbar gemacht werden sollen, ist dabei schwer nachzuvollziehen, gerade weil die damalige Berichterstattung keineswegs naiv mit Worten spielte. So entschied sich beispielsweise die NNN (Norddeutsche Neueste Nachrichten) trotz aller Warnungen des damaligen Ausländerbeauftragten der Hansestadt die faktische Ankündigung des Pogroms in Form von anonymen Telefondrohungen abzudrucken, ebenso wie die Ostsee-Zeitung.

Die Stele „Courage“ im Rosengarten enthält das Negativ eines Vogelhäuschens und ist in Anlehnung an das Logo des JAZ, in dem 1992 antifaschistische Interventionen organisiert wurden, von Disteln umgeben. Dies soll auch die Schmerzen symbolisieren, mit denen Zivilcourage verbunden sein kann. Diese Stele zeigt, dass der Schwerpunkt des Konzepts eher auf abstrakter Symbolik liegt statt sich direkt auf das Geschehene zu beziehen. Zum Gedenkkonzept gehört ebenfalls ein Kunstbuch für Heranwachsende, dem als Gimmick eine Packung Sonnenblumenkerne begelegt wird, die in der Stele platziert werden können. Stärker noch als bei den anderen Gedenkorten wird hier deutlich, dass die interaktive Beschäftigung mit dem Objekt die tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Pogrom zu ersetzen droht.

In die Stele „Politik“, in der Nähe des Rathauses, ist ein Gesicht eingelassen, in dem sich Regenwasser sammeln kann, das durch kleine Öffnungen in den Augen ablaufen kann, um so Tränen der Trauer zu symbolisieren. Unerklärt bleibt dabei, wer hier aufgrund welcher Handlungen über wen trauern soll, wenngleich das Handeln unterschiedlichster politischer Instanzen vielfältigen Anlass zur Trauer bietet. Begonnen bei der Weigerung des Innensenators eine sanitäre Versorgung vor der ZASt zur Verfügung zur stellen, bis hin zur Empörung des Bundesinnenministers darüber, dass deutsche Polizist*innen wegen Migrant*innen gegen Deutsche vorgehen müssten, zeigt sich ein systematisches Fehlverhalten von Verantwortlichen, welches auch die Untersuchungsausschüsse der Kommune und des Landes nicht aufklären konnten und wollten.

Der fünfte Gedenkort vor dem Sonnenblumenhaus in Rostock Lichtenhagen besteht aus einer zertrümmerten und wieder zusammengesetzten Gehwegplatte und der Stele „Selbstjustiz“ mit einem lose aufgelegten Stein eben jener Platte. Darf bereits bezweifelt werden, dass der Stein dort länger verbleibt, so wird auch die Stele selbst der Erinnerung an das Pogrom in mehrerer Hinsicht nicht gerecht: so präsent möglicherweise die Zertrümmerungsszenen dieser Platten im medialen Gedächtnis sein mögen, waren es doch vor allem Molotovcocktails und die Masse jubelnder Anwohner*innen, die für das Pogrom bezeichnend waren. Auch der Begriff Selbstjustiz bereitet Schwierigkeiten, suggeriert er doch, dass das Pogrom eine Notwehrhandlung gegen eine reale Bedrohung war. Damit werden die Taten von 1992 und das Verhalten der Anwohner*innen im nachinein relativiert und entschuldigt.

Rassistische Kontinuitäten – Aufruf zu bundesweiten Aktionen anlässlich des 25. Jahrestages der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen

„Happi Happi bei Api“ hieß die mobile Würstchenbude, die für Stärkung und Berauschung des Mobs gesorgt hat, der sich im August 1992 über Tage vor dem wegen seiner Fassade als Sonnenblumenhaus bezeichneten Plattenbau in Rostock-Lichtenhagen versammelte. In ihm befand sich die Zentrale Aufnahmestelle (ZAst) für Geflüchtete, darunter viele Rom*nja, die vor Pogromen aus Rumänien geflohen waren. Die Unterkunft wurde mehrfach überbelegt, die Zustände dort waren katastrophal. Viele der Geflüchteten wurden gezwungen im Freien zu übernachten. Schnell verbreiteten sich rassistische und insbesondere antiziganistische Erklärungen für diese Lage unter den Anwohner*innen, die in den lokalen Medien bereitwillig aufgegriffen wurden.

„Die Leute, die hier wohnen, werden aus den Fenstern schauen und Beifall klatschen“, verkündete ein Anwohner vor dem Pogrom in der Ostsee-Zeitung. Wie auf einem Volksfest – so wurde die Stimmung in jenen Tagen vor dem Plattenbau geschildert. Jeden Tag wieder versammelten sich tausende Menschen bei Bratwurst und Bier auf der Wiese und blickten auf das dank der anwesenden Medien abends mit Scheinwerfern ausgeleuchtete und als Ziel markierte Haus. Immer mit der Dunkelheit begannen die ersten Attacken aus dem Mob. Erst flogen Steine, später Molotow Cocktails gegen das Haus. Auch gegen die Polizei, die bis zur Irrelevanz unterbesetzt vor Ort war. Als sich am Montag den 24. August, also am dritten Tag in Folge, der Mob versammelte, wurden die Geflüchteten schließlich aus der ZAst evakuiert – das Wohnheim der vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen im selben Gebäude nicht. Der Hass des Mobs suchte sich an diesem Abend neue Ziele: Zunächst die Polizei, dann, als diese sich komplett zurückgezogen hatte, die ohne Schutz zurückgelassenen Vietnames*innen. Das Haus wurde angezündet, bewaffnet gestürmt, die anrückende Feuerwehr blockiert.

„Jeder Molotow-Cocktail wird von der Menge mit ,Sieg Heil`-Rufen gefeiert. Schließlich feiern sie mit ,So ein Tag, so wunderschön`.” (Berliner Zeitung, 26.8.)

Auf Notrufe reagierte die Polizei nicht – die Leitung ist zeitweise nicht besetzt. Rund 120 Menschen organisierten ihren Selbstschutz, blockierten den Fahrstuhl und die Treppenaufgänge. Viele von ihnen haben als ehemalige Soldat*innen Kriegserfahrungen aus dem Vietnamkrieg, sie fürchten, erneut um ihr Leben kämpfen zu müssen. Bewusst ziehen sie sich in die oberen Stockwerke zurück.

„Da war kein kein Anzeichen, dass wir uns irgendwie geschützt fühlen können, sondern alleine gelassen werden mit den ganzen Randalierern. Das, was sollen wir dagegen tun? Da sind meine Landsleute schon auf die Idee gekommen, und haben gesagt, na was die machen, können wir auch und sie wollten sich dann mit Stöcken und so was bewaffnen und an der Tür stehen bleiben und Wache halten, wenn das sein sollte. Aber da hab ich zu ihnen allen gesagt, das hat doch überhaupt keinen Zweck, denn erst recht wenn wir die provozieren, dann können wir gleich gehen.“ (Ngyuen Do Thin, Bewohner des Sonnenblumenhauses).

Durch diesen Rückzug und viel Glück gab es keine Toten: Die Flüchtenden konnten sich über das Dach aus dem eingeschlossenen und brennenden Haus retten, während sich der Mob „Deutschland den Deutschen“ und „Wir kriegen euch alle“ skandierend an den unteren Stockwerken ausließ.

Im Nachbarhaus öffneten nur zwei Wohnungen des Plattenbaus den Flüchtenden ihre Tür. Als die Feuerwehr nachts mit den Löscharbeiten begann, wurden auch die Vietnames*innen aus Lichtenhagen evakuiert, ihr Bus wurde noch von Rassist*innen verfolgt. Mit ihrer Abfahrt war der Stadtteil, wie Hoyerswerda im Jahr zuvor, „ausländerfrei“.

Die Zahl der rassistischen Angriffe erfuhr nach Rostock bundesweit Aufschwung: Ermutigt wohl auch durch das zurückhaltende bis unterstützende Verhalten von Politik und Polizei bei der Rostocker Gewaltorgie, bedrohten rassistische Gewalttäter*innen und deren Mitläufer*innen binnen sieben Tagen in mindestens 40 Fällen Wohnheime mit Brandsätzen und Steinen und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei.

Während die Anwohner*innen von Lichtenhagen mit mietfreiem Wohnen für das Pogrom entschädigt wurden, gab es für die Bedrohten im Sonnenblumenhaus weder Entschädigungszahlungen noch Ersatz für beschädigten oder gestohlenen Besitz. Im Gegenteil – die meisten der ehemaligen Bewohner*innen wurden abgeschoben.

Im August 2017 jährt sich das Pogrom von Lichtenhagen zum 25. Mal. Wir nehmen dies zum Anlass, um unsere Solidarität mit den Betroffenen zum Ausdruck zu bringen. Darüber hinaus wollen wir mit Blick auf die rassistischen Mobilisierungen und Angriffe der letzten Jahre die Frage diskutieren, welche Kontinuitäten dieses rassistischen Klimas der 1990er-Jahre in der Gegenwart sichtbar werden. Im Rückblick auf das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen zeigt sich dessen anhaltende Aktualität: Sowohl mit Blick auf einen gesamtgesellschaftlichen Rassismus und dessen gewaltvolle Ausdrucksformen wie auch hinsichtlich der Frage nach angemessenen linken Interventionen.

Read More

25 Jahre Rostock Lichtenhagen – Das Pogrom aus antifaschistischer Perspektive

Im August 2017 jährt sich das Pogrom von Lichtenhagen zum 25. Mal. In Zeiten, in denen rassistische Mobilisierungen gegen Geflüchtete, deren Unterkünfte und alle die nicht als „deutsch“ wahrgenommen werden zur Tagesordnung gehören, ist es wichtiger denn je, sich reflektiert mit den Ereignissen von damals auseinanderzusetzen. Dazu gehören neben der Betrachtung der Geschichte auch ein kritischer Blick auf die Gegenwart und mögliche Zukunft.

Darum organisieren wir als Gruppe „No Turning Back“ eine Veranstaltungsreihe, die das Pogrom aus antifaschistischer Perspektive beleuchten soll.

Termine

14.08. – Filmvorführung: „The Truth lies in Rostock“ – Café Median (evt. auf dem Hinterhof) – 19 Uhr

16.08. – Vortrag: „Kontext, Dimension und Folgen rassistischer Gewalt“ – Café Median – 19 Uhr

18.08. – Podiumsdiskussion „25 Jahre Rostock Lichtenhagen – Das Pogrom aus antifaschistischer Perspektive“ mit Zeitzeugen*innen – Möckelsaal Peter-Weiss-Haus – 19 Uhr

Filmvorführung: „The Truth lies in Rostock“ (14.08. – Café Median – 19 Uhr)

August 1992,
Rostock Lichtenhagen.

Die Polizei schaut einfach zu, als Faschisten die Zentrale Aufnahmestelle für Geflüchtete (ZAST) und ein Wohnheim von vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen mit Molotowcocktails bombardieren.

Eine Montage mit Videomaterial, gedreht aus den angegriffenen Häusern, Interviews mit Antifaschist*innen, den vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen, der Polizei, mit Bürokraten,  Neonazis und Anwohnern.

Eine Dokumentation über das heimliche Einverständnis der Politik und über die verbreitete Angst.

Vortrag: „Kontext, Dimension und Folgen rassistischer Gewalt“ (16.08. – Café Median – 19 Uhr)

Die Ereignisse von Rostock Lichtenhagen gelten als die massivsten rassistischen Ausschreitungen oder gar das größte Pogrom der deutschen Nachkriegsgeschichte. Mehr als 100 Menschen entgingen nur knapp dem Tod in den Flammen. Der Eskalation vorausgegangen war ein anwachsender Rassismus in den Medien und der Politik. Ihr folgte nicht nur eine Welle rechter Gewalt, sondern auch die weitgehende Einschränkung des Grundrechts auf Asyl.

Bundespolitische Debatten um die vermeintlichen „Scheinasylanten“ und „Zigeuner“, institutionelles Versagen in der Flüchtlingspolitik und eskalierende rechte Gewalt kamen in Rostock in einer verheerenden Dynamik zusammen. Hinterfragt werden muss insbesondere die Beteiligung der vielen ungezählten Anwohner, die jeden Brandsatz mit Jubelrufen begrüßten. In ihrer konformistischen Revolte verstanden sie sich nicht als Außenseiter oder gar Extremisten. Sie wähnten sich in der Mitte der Gesellschaft, gar als Stimme des Volkes.

Podiumsdiskussion „25 Jahre Rostock Lichtenhagen – Das Pogrom aus antifaschistischer Perspektive“ (18.08. – Möckelsaal Peter-Weiss-Haus – 19 Uhr)

Es ist in den vergangenen Jahren sehr viel über Lichtenhagen gesagt und geschrieben worden. Um dieses Bild zu erweitern, möchten wir der Perspektive der beteiligten Antifaschist*innen Gehör verschaffen. Dazu laden wir zu einer moderierten Podiumsdiskussion ins Peter-Weiss-Haus ein.

Neben den Ereignissen von 1992 soll bei der Veranstaltung auch die aktuelle politische Situation Beachtung finden.
In wie weit können die rassistischen Mobilisierungen von heute mit den Situationen Anfang der 90er verglichen werden?
Welche Kontinuitäten bestehen zwischen Heidenau, Bautzen und Rostock Groß Klein auf der einen Seite und Solingen, Mölln und Lichtenhagen auf der anderen Seite?
Wo sehen die Zeitzeugen*innen aber auch Unterschiede?

Irgendwo in Deutschland 2017

Das „Irgendwo in Deutschland“ Bündnis hat sich für dieses Jahr drei Schwerpunkte gesetzt.

Im August wird es bundesweite Aktionen und Veranstaltungen anlässlich des 25. Jahrestages des Pogroms von Lichtenhagen geben. Daran beteiligen wir uns unter anderem mit einer Veranstaltungsreihe. Weitere Infos sowie ein Aufruf folgen.

Am 2. September wird es am „Tag der Sachsen“ unter dem Motto „Das Land – rassistisch, Der Frieden – völkisch, Unser Bruch – unversöhnlich“ eine antfaschistische Demonstration in Wurzen geben. Ein Kurzaufruf ist bereits online, den längeren Text werdet ihr bald auch auf unserer Website finden. #Wurzen0209

Voraussichtlich im Herbst wird der NSU-Prozess zu Ende gehen. Das Bündnis ruft dazu auf nach München zu fahren. Da das aber für viele – gerade aus Norddeutschland – nicht möglich ist, sind zusätzlich auch bundesweit Aktionen geplant. Den Aufruf des Bündnisses haben wir bereits veröffentlich und zwar hier.

Rostock Geschichtsvergessen

„Duell der Feuerwerker“ ist das Motto der Pyro Games 2017 in Rostock, die am 26. August auf dem Gelände des IGA Parks im Stadtteil Schmarl veranstaltet werden sollen. Allerdings findet im nahe gelegenen Stadtteil Lichtenhagen am selben Tag die offizielle Gedenkveranstaltung der Stadt Rostock zu dem rassistischen Pogrom von 1992 statt. Die Terminwahl der Pyro Games könnte man daher im besten Falle als unglücklich bezeichnen. Man könnte erwarten, dass die Stadtvertreter*innen aus den rassistischen Mobilisierungen der Vergangenheit und auch der Gegenwart, man denke beispielsweise an die Vorfälle um das Begegnungszentrum für unbegleitete, minderjährige Geflüchtete in Groß Klein im letzten Jahr, ihre Lehren gezogen haben. Doch das scheint leider eine unbegründete Hoffnung zu sein. Denn ansonsten sollte ein Bewusstsein dafür vorhanden sein, was für eine Pietätlosigkeit eine pyrotechnische Veranstaltung parallel zu dem Gedenken an Rostock Lichtenhagen darstellt. So waren doch das in Brand setzen und das Stürmen des Wohnhauses vietnamesischer Vertragsarbeiter*innen trauriger Höhepunkt des Pogroms. Dabei wurde der Tod der Bewohner*innen billigend in Kauf genommen, während die meisten Anwohner*innen nichts Besseres zu tun hatten als dem Mob zu applaudieren oder selbst an vorderster Reihe mitzuwirken.

Wenn man es mit dem Gedenken an das rassistische Pogrom ernst meint und es nicht nur zur Prestigepflege des Tourismusstandorts Rostock betreibt, dann ist eine Verschiebung der Pyro Games die einzige logische Konsequenz. Doch das scheinen weder die Stadtvertretung, welche ein erhebliches Mitspracherecht an Veranstaltungen auf dem städtischen IGA-Gelände hat, die IGA Rostock 2003 GmbH, noch die Veranstaltungsfirma der Pyro Games 2017, A & O Pyro Games GmbH, ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Als Antifaschist*innen dieser Stadt halten wir diese Situation für nicht hinnehmbar. Eine Pyroshow in örtlicher und zeitlicher Nähe zu dem offiziellen Gedenken an das Pogrom ist respektlos gegenüber den Menschen, die im August 1992 um ihr Leben fürchten mussten, und ein Schlag unter die Gürtellinie für all jene, die an einem ernsthaften Gedenken und Mahnen interessiert sind. Das Verhalten von Stadt, IGA und Pyro Games ist symptomatisch für den rassistischen Gesamtzustand vor Ort und die fehlende Sensibilität für die Geschichte des Pogroms von Rostock Lichtenhagen.

Veranstaltungen zu 25 Jahre Lichtenhagen

Wir planen dieses Jahr eine kleine Veranstaltungsreihe um uns aus einer antifaschistischen Perspektive mit dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen 1992 auseinanderzusetzen. Die Termine in der Übersicht:

14.08. – Filmvorführung „The truth lies in Rostock“
16.08. – Vortrag „Rostock-Lichtenhagen 1992: Kontext, Dimensionen und Folgen rassistischer Gewalt“
18.08. – Podiumsveranstaltung mit antifaschistischen Zeitzeugen des Pogroms

Die Locations sowie genauere Ankündigungen folgen. Wenn ihr nicht bis zum August warten wollt, dann empfehlen wir euch die Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 11.05. zum Thema: «Generation Terror»: Von Lichtenhagen zum NSU. Weitere Infos dazu findet ihr: hier.